Wenn etwas Neues kommt … (Variation 1)

Wenn die Lehrkraft an die Tafel schreibt, während die Lerngruppe zuschaut, ist es egal, ob die Tafel aus Holz, aus Kunststoff oder eine digitale ist.

Lehrerzentrierten Unterricht kann man bestens mit generativer KI nachbauen: Dann doziert ein Bot, während die Lerngruppe … lernt? Sich langweilt? Etwas ganz anderes macht?

Der Pädagoge und Bildungsforscher John Hattie hat den Einfluss von Digitalität und generativer künstlicher Intelligenz auf Bildungsprozesse untersucht. In seinen „Gold Papers“ veröffentlicht er  auch einen Fragenkatalog für Bildungsinstitutionen, die sich neu aufstellen. Immer im Fokus: die Frage nach der Wirkung.

In Hatties Fragenset findet sich eine Frage wieder, die auch wir gerne stellen: „Wenn etwas Neue kommt, was muss dann gehen?“ (im Band „Getting to G.O.L.D.“ der Gold Papers, Downloads hier). Eine Frage, die genaues Hinschauen und Nachdenken verlangt.

Wir sehen um uns herum eher das Gegenteil: Mehr vom Alten plus ein bisschen vom Neuen; Glitter statt Gold.  „Toolismus“ und Spielerei – auch hier im schlimmsten Fall in der Form, dass die Lehrkraft spielt, während die Lerngruppe … zuschaut? Wartet? Was anderes macht?

In unserer Praxis erleben wir, dass wir viel Bewährtes der Sprachendidaktik auch heute oder gerade heute noch brauchen. Wir erleben, dass wir nur auf Grundlage unseres Fachwissen und unserer Erfahrungen gelingende Lernprozesse gestalten können. Ob wir mit KI arbeiten oder nicht, entscheidet nicht über den Erfolg. Gelingende Lernprozesse werden möglich, wenn wir nicht vom Angebot, sondern vom Bedarf aus denken, konzipieren und arbeiten. KI wird dann unser Verstärker.

Nicht alles muss anderes werden. Und nichts ist nur deshalb gut, weil es anders ist als das, was man hinter sich lassen möchte.

John Hattie gibt Bildungseinrichtungen nicht nur das kleine, aber gewichtige Fragenset an die Hand. Er zitiert auch die Psychologin Viviane Robertson, die 2018 – frei übersetzt – schrieb: „Verändere so wenig wie möglich, damit du so viel wie möglich verbessern kannst.“ („Reduce change to increase improvement.“)

Wir finden, dass dieser Satz ausgezeichnet in die heutige Zeit passt.