Szenario-Methode & KI

Eines der größten Missverständnisse in Bezug auf die Szenario-Didaktik ist die Vorstellung, dass man während des gesamtes Unterrichts Szenarios „spielt“.

Szenarios werden vorbereitet, durchgeführt, gemeinsam evaluiert (mehr dazu hier: http://www.anne-sass.de/entwszena.html).

Stichwort „Vorbereitung“: Wenn wir mit Szenarien arbeiten, nutzen wir eine „Rückwärtsplanung“: Vom Szenario ausgehend können wir ableiten, a) welches Fach- und Kontextwissen, b) welche Gesprächs- und Schreibstrategien und b) welcher Wortschatz und welche Redemittel notwendig sind.

Zur Vorbereitung auf Szenarien können wir vieles nutzen, was wir aus dem „klassischen“ Sprachunterricht kennen. – Vorbereitende Materialien können wir sehr gut mithilfe von generativer KI erstellen.

Hier ein kleines Beispiel aus dem Bereich der Pflege:

In der Fachsprachenprüfung (B2) müssen die Teilnehmenden in einem ersten mündlichen Gespräch mit einer Patientin sprechen und im Anschluss mit einer Kollegin, einem Arzt oder einer Physiotherapeutin – ebenfalls mündlich – über diese Patientin berichten.

Um das Erstgespräch zu üben, haben wir mit Hilfe unterschiedlicher LLMs Personas erstellen lassen. Dabei haben wir folgende Texteingabe gemacht:

„Erstelle 10 Personas. Alles sind Menschen, die an einer verbreiteten Krankheit leiden. Lass jede dieser Personen sich in einem Anamnesegespräch im Krankenhaus aus der Ich-Perspektive vorstellen. Sie berichten über ihre aktuelle Lebenssituation (Wohnen, Arbeit, Familie) und ihren Gesundheitszustand. Berücksichtige dabei Diversität unserer Gesellschaft und dass die Personen authentische mündliche Sprache nutzen.“

Wir haben verschiedene Modelle genutzt (das dauert ja nur zwei Minuten). – Unser Favorit ist „Claude“, der auch Mundart genutzt hat. Hier ein Beispiel:

„Servus, i bin da Sepp, 68 Joahr alt und komm aus Ruhpolding. Bin seit fünf Joahr in Rente, früher war i Schreiner. Mei Frau is vor zwoa Joahr g’storbn, jetzt leb i alloa in unserm Haus. War immer g’sund wie a Fisch im Wasser, aber jetzt spür i mi oft schwach und hab an Durchfall. Und neulich sog i sogar a bissai Bluat im Stuhl. Mei Dokta moant, des könnt vom Darm kumma. Jetzt bin i halt do, dass ma des genau oglotza.“

Auch Gemini 1.5 Pro hat die Aufforderung „authentische Sprache“ ernst genommen:

„Guten Tag, ich bin die Maria Schmidt. Ja, die Knie machen mir wieder schwer zu schaffen, deswegen bin ich hier. Seit drei Jahren wohne ich jetzt im Seniorenheim, nachdem mein Mann gestorben ist. Die Wohnung war einfach zu groß und einsam. Hier ist es ganz nett, man kennt sich und es gibt immer was zu tun. Mit dem Diabetes kämpfe ich jetzt schon seit über 20 Jahren. Früher war ich ja ganz die Sportskanone, aber jetzt geht das nicht mehr so gut. Ich versuche trotzdem, mich zu bewegen, so gut es geht. Die Tabletten muss ich natürlich auch nehmen, aber manchmal vergesse ich die auch, muss ich zugeben.“

Die Personas, die „Mistral Large-2“ erstellt haben, sind gut geeignet für Lernende, die darauf angewiesen sind, dass man Standardsprache spricht:

„Hallo, ich bin Anna, 35 Jahre alt. Ich wohne in einer kleinen Wohnung in der Stadt und arbeite als Lehrerin an einer Grundschule. Ich habe Diabetes Typ 1 seit meiner Jugend. Mein Blutzucker ist meistens gut eingestellt, aber manchmal habe ich Schwierigkeiten, besonders wenn ich gestresst bin. Meine Familie ist sehr unterstützend, besonders meine Schwester, die auch Diabetikerin ist.“

Ist es nicht interessant, dass GPT 4o auch eine Grundschullehrerin Anna generiert hat?

„Hallo, ich bin die Anna, 34 Jahre alt. Ich wohne in Berlin, zusammen mit meinem Freund und unserem Hund. Ich arbeite als Grundschullehrerin, was mir wirklich Spaß macht, aber es ist auch ziemlich stressig. Ich habe seit meiner Kindheit Diabetes Typ 1 und muss meinen Blutzucker ständig im Blick behalten. Es ist manchmal echt nervig, besonders wenn ich mitten im Unterricht bin und plötzlich einen Unterzucker bekomme. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen, und mein Freund unterstützt mich auch sehr dabei.

Mit diesen Personas können wir nun gut arbeiten. Wir haben eine kleine Auswahl gemacht, die zu der Lerngruppe passt. Mithilfe eines anderen KI-Tools haben wir diese Personas dann zum Sprechen gebracht (unten sehen Sie Sepp aus Ruhpolding). Die Teilnehmenden müssen zuhören und sich Notizen machen. Im Anschluss können wir abgleichen, welche Informationen sie aufgenommen haben. Dann sammeln wir Redemittel, mit denen wir diese Informationen z.B. in einem Pflegebericht festhalten könnten (hier geht es um die Teile Patientendaten, medizinische Vorgeschichte, aktuelle Situation). Das Generieren von 40 Personas, die Auswahl der geeigneten 6 Beispiele und das Erstellen der Videos hat insgesamt 45 Minuten gedauert. Diese Personas werden uns nun ein paar Wochen begleiten – zumindest die, die den Kursteilnehmenden zusagen. Sie werden versorgt, ihnen werden Medikamente verschrieben werden. Wir werden ihnen erklären, wie diese Medikamente wirken und wie sie eingenommen werden müssen. – Und weil in unserer Lerngruppe nicht nur Pflegekräfte, sondern auch eine Physiotherapeutin ist, werden wir viele Krankheitsbilder haben, denen wir mit – aktiven oder passiven – Bewegungsübungen entgegenwirken können.